Gerbereien in der Schweiz
Hubert Wachsmann
Eine eindrückliche Tagung der Internationalen Union der Gerbereichemiker Verbände fand 1957 in Rom statt, wo der Schweizer Wissenschaftler Dr. A Gansser- Burckhardt aus Basel anhand eines Modells eines römischen Legionärs die vielseitige Verwendung von Leder im Altertum aufzeigte. Jener Gansser-Burckhardt, der auch wegen seiner Studien zur Bekämpfung der Dasselfliege international bekannt wurde.
Für das „Historisch-biografische Lexikon der Schweiz“ verfasste er 1934 ein Supplement, das viele interessante Hinweise für unsere Industrie enthält.So war das Schwergewicht der Lederfabrikation auch noch vor gut 100 Jahren die Schwerlederherstellung nach pflanzlicher Gerbung vor allem für Sohlleder, aber auch für Riemen- , Geschirr- und Zeugleder besonders auch Militärleder, wie beispielsweise in Altstätten, Aarburg, Arbon, Andhausen, Berneck, Biglen, Gelterkinden, Gossau, Oberuzwil, Horgen,, Küssnacht a. Rigi, Meilen, Thalwil und Frauenfeld, aber auch Fribourg, Nyon, Morges, Vevey, La Sarraz und Lausanne- Orte wo alte Geberfamilien ansässig waren und teilweise noch sind. Die vegetabil gegerbten Kalbleder aus Lausanne genossen europaweit hohes Ansehen. Weissgerbung spielte in der Schweiz eine geringe Rolle.
Die Umstellung von der klassischen Grubengerbung auf das moderne Schnellgerbverfahren, mit Gerbfass, nach den Gebrüdern Durio aus Turin, schafften nicht alle.Die Herren A. v. Gaffenried und F. Gaspari hatten 1895 das Patent erworben und 1897 in Olten eine Lederfabrik zunächst für 50 Haut pro Tag eingerichtet. Der Aufschwung kam mit einer modernen Extraktfabrik für hochkonzentrierte Gerbextrakte, die 1911 angeschlossen wurde. Bereits 1920 war in Olten die Tagesproduktion auf 1000 Haut gestiegen.
Gerbextrakte aus heimischem und italienischem Kastanienholz wurde 1931 in Maroggia im Tessin ausgebaut.
Die Chromgerbung, basierend auf den Knapp`schen Patenten von 1861, hatte sich langsam in Frankreich und Italien 1870 – 1890 eingeführt aber in der Schweiz für Boxcalf auf ein Unternehmen in Aarburg und Lugano und für Rindbox auf Lausanne, sowie für Chevreaux auf Baden beschränkt.
1936 bestanden in der Schweiz noch 90 Gerbereien, wovon immerhin 36 Fabriken genannt werden konnten. Nach dem ersten Weltkrieg und der Wirtschaftskrise kam es langsam zu neuen Industriezweigen, wie Leder für Reiseartikel, für Möbel- und Karosserien (Gelterkinden und Arbon) und sogar Reptilleder.
Die Chemische Industrie in Basel war mit Farbstoffen und Lederhilfsmitteln eine wichtige Unterstützung und baute in dieser Zeit ihre Anwendungstechnischen Abteilungen aus.
Im Jahre 1915 wurde der Verband der Schweizerischen Gerbereibesitzer gegründet. 1917 wurde bereits die Versuchsanstalt in St. Gallen eingerichtet, die 1936 zur EMPA wurde und 1919 war die Gründung des Vereins Schweizerischer Lederindustrie Chemiker (VESLIC), wodurch auch internationale Kontakte durch Kommissionsarbeiten und Tagungen intensiviert wurden.
Die Handelsgenossenschaft Schweizer Gerbereibesitzer 1920 und die Schweizer Häuteschädenbekämpfungs - Kommission waren wertvolle Gründungen und auch der IULTCS Kongress 1931 in Basel vertiefte die internationalen Kontakte schon früh.
Erst 1967 konnten die Schweizer Gerber wieder einen grossen Kongress der IULTCS in Luzern abhalten und 1995 im grenznahen Friedrichshafen engen Kontakt pflegen.
Die neueste Entwicklung ist allen bekannt. Wie rasch sich aber die Verhältnisse verändern wird einem bewusst, wenn man nur das letzte Jahrhundert und besonders die letzten 25 Jahre Revue passieren lässt. 2012 hat die Gerberei Gimmel nach 165 Jahren ihres Bestehens die Produktion in Arbon einstellt. Somit existieren nur noch Mini-Gerbereien in der Schweiz.Die Max Gimmel AG wird künftig mit Lohnproduktion im Ausland die Kunden weiter bedienen.