100 Jahre VESLIC

100 Jahre VESLIC

 

Die ersten 30 Jahre

1. Teil: 1919-1949

 

basierend auf dem Jubiläumsbericht zum 30-jährigen Bestehen des Vereins Schweizerischer Lederindustrie-Chemiker (VESLIC)

 

von

Dr. A. Gansser

28. Juni 1949

 

 

Es war am 18. Mai 1919, als im Hotel "Rütli" in Luzern, also nicht auf dem Rütli, unser Verein gegründet wurde. Immerhin ein gutes Omen für lange Dauer, habe ich mir gedacht.

Ich hatte bereits am 29./30. September 1918 an der Generalversammlung des Verbandes Schweizerischer Gerbereibesitzer (V.S.G.) im Hotel Union, Luzern, den Antrag zur Gründung gestellt. Am 31. März 1919 habe ich mit dem damaligen Sekretär des V.S.G., Herrn Dr. A. Stahel, ein Rundschreiben an Firmen versandt in welchem die Gründe aufgeführt wurden, welche die Zweckmässigkeit eines solchen Vereins darlegte. Die Hauptveranlassung zur Gründung war der Umstand, dass als Folge des ersten Weltkrieges der Internationale Verein der Lederindustrie Chemiker (IVLIC) sich in zwei Verbände aufteilte, indem die damaligen alliierten Länder einen neuen Verband gründeten, nämlich die Society of Leather Trades Chemists (SLTC). Da die Schweizer vordem keinen eigenen Verband und auch keine Sektion im IVLIC bildeten, waren sie in den verschiedenen Landessektionen zerstreut und so bildete sich eine unhaltbare Situation; denn der Trennungsstrich zwischen IVLIC und ISLTC schien eher länger als kürzer zu werden.

Es war aber noch ein zweiter Grund, welcher mich zu diesem Schritt bewog. Es erschien mir als eine schweizerische Pflicht, eine „Brücke“ zu bauen, um eine gelegentliche Verständigung zwischen den Angehörigen der Zentralstaaten und den Ententestaaten zu erleichtern. Sollte diese Verständigung erfolgen, so wäre dar VESLIC unter Umständen bereit gewesen, als Sektion den wiedervereinigten bei den Gesellschaften beizutreten. Deshalb wurden die Statuten denjenigen der Internationalen Verbände angepasst und die Möglichkeit des Anschlusses an einen anderen Verband in unseren Statuten vorgesehene.

Der V.S.G. stimmte diesem Projekt zu. Schon im April 1919 hatte sich eine grössere Anzahl Einzel-Mitglieder und Firmen angemeldet.

Bereits am 19. Juli 1919 lief ein Glückwunschbrief des Vorsitzenden des IVLIC, Herrn Prof. Dr. H. Becker in Frankfurt a/M, Erfinder des Erodins, ein. Er sagte unter anderem: "Auch Ihrem edlen Schweizervolk hat der Krieg gar manche Opfer auferlegt und wie manches Mal hatten wir Deutsche Gelegenheit, die wohlwollende Haltung der Neutralen, - an erster Stelle der Schweiz, - dankbarst zu empfinden. Auch unserm IVLIC und seinem Collegium kam diese Stellungnahme zugute und auch dafür spreche ich Ihnen und den mit Ihnen vereinten Schweizermitgliedern, soweit es an mir ist, den allerherzlichsten Dank aus ……"

Von beiden Mächtegruppen konnten an der Vorstandsitzung vom 23. Juli 1919 in St. Gallen Glückwunschreiben verlesen werden.

Die interne Organisation des VESLIC gestaltete sich wie folgt:

 

Präsident:
Dr. A. Gansser, Basel, Generalsekretär der SLTC.

Vize-Präsident:
H. Stärkle, Präsident des Verbandes Schweizerischer Gerbereibesitzer, (V.S.G.)

Sekretär:
Dr. A. Stahel, Sekretär des V.S.G

Quästor:
Dr. A. Besson, Betriebs-Chef der Chemischen Fabrik Althaus AG., Zollikofen /Bern

 

Mit dem IVLIC wurde ein zweijähriger Vertrag für Lieferung des Collegiums an unsere Mitglieder abgeschlossen; ebenfalls mit Le Cuir technique. Ein analoges Abkommen mit der SLTC für Abgabe des "Journal" kam nicht zustande (Mitteilung in der Vorstandsitzung vom 11.9.1920). Am 23. Januar 1919 fand die erste Vorstandsitzung statt und zwar in der Handelshochschule in St. Gallen.

Am 24. Juli 1919 zählte der Verein                   29 Mitglieder

am 31. Dezember 1920                                    48 Mitglieder

am 30. Juli 1926                                                54 Mitglieder

Der Mitgliedsbeitrag pro Jahr betrug Fr. 25.-- plus Fr. 5.-- Eintrittsgebühr nebst Gratislieferung des Collegiums oder Cuir technique. Ohne Collegium Fr. 10.-- oder ohne Cuir technique Fr. 10.--. Ihr derzeitiger Präsident, Herr Prof. Dr. Engeler, ist am 23. Oktober 1925 zum ordentlichen Mitglied ernannt worden.

Abermals im "Rütli" wurde in der Vorstandsitzung vom 11. September 1920 auf Antrag des Präsidenten Herr Dr. A. Kägi zum Sekretär und Kassier des VESLIC ernannt, da Herr Dr. Stahel eine anderweitige Betätigung gefunden hatte und Dr. Besson als Professor für Chemie am Technikum Winterthur ernannt wurde. Sekretariat und Kasse kamen daher in seine Hand.

Da die Zeitschrift der Ententegruppe nicht erhältlich war, wurde die Schaffung einer eigenen Rundschau beraten unter Anschluss an eine bestehende Zeitschrift, jedoch fallengelassen und die Schweizerische Lederindustrie-Zeitung in Rapperswil als offizielles Organ bestimmt.

Die Tätigkeit des VESLIC verlief in den nächsten Jahren ohne wesentliche Ereignisse. Je nach Bedarf wurden im Laufe des Jahres Vorstandsitzungen abgehalten und der Vorstand erweitert. Die Jahresversammlung wurde jeweilen mit derjenigen des V.S.G. zusammengelegt. Bereits schon im Jahre 1920 zeigte sich jedoch das Bedürfnis, eigene Mitgliederversammlungen abzuhalten und somit auf gemeinsame Vorträge mit dem V.S.G. zu verzichten. Auf Vorschlag, von Herrn Dir. Kurz wurden alljährlich sogenannte "Freie Vereinigungen" organisiert. Die erste fand am 11. September 1920 in Luzern statt. Ein oder mehrere Kurz-Vorträge in Verbindung mit einem Betriebsbesuch im Spätherbst war das übliche. Diese Veranstaltungen haben sich bis auf den heutigen Tag bewährt. Der VESLIC nahm überdies regen Anteil am internationalen Verbandsleben und wurde an alle Veranstaltungen der beiden internationalen Verbände eingeladen, denen auch meistens Folge geleistet werden konnte, sei es durch besondere Delegierte, sei es durch den Präsidenten, der 1919 - 1923 als Generalsekretär der SLTC und 1923 - 1925 als deren Präsident exufficio teilnahm.

An den wissenschaftlichen Kommissionen der SLTC und des IVLIC nahm der VESLIC regen Anteil. In erster Linie war es Herr Prof. J. Jovanovits sel. von der Versuchsanstalt St. Gallen und später sein Nachfolger Prof. Dr. A. Engeler. Da man sich damals in enger Zusammenarbeit mit den internationalen Vereinen befand, ergab sich keine Notwendigkeit zum Ausbau eigener Studienkornmissionen. Überdies wurde im Schosse des V.S.G. eine besondere Technische Kommission geschaffen. Immerhin wurde eine Analysenkommission für Gerbstoffe am Jahre 1921 gegründet, für' welche Prof. Jovanovits als Referent am nächsten internationalen Kongress bestimmt wurde. Weitere Kommissionsmitglieder waren der Präsident, Dr , Besson und Dr , Schenker. In Lausanne (20.9.1921) wurde das erste Arbeitsprogramm der Analysenkommission durch Prof Jovanovits vorgelegt.

An der Jahresversammlung 1920 und dann wieder in der "Freien" am 15. Januar 1921 referierte der Präsident über die Frage der Bekämpfung der Dasselfliege in der Schweiz und wies auf die Notwendigkeit einer Bekämpfungs-Organisation hin. Der VESLIC entschied sich in der Folge zur Schaffung einer besonderen Kommission, der Schweizerischen Häuteschädekommission (SHSK), die am 2L April 1921 in Basel gegründet wurde.

Es ist eine allgemeine Erscheinung, dass nach dem ersten begeisterten Vorstoss ein Abflauen festzustellen ist. So steht beispielsweise im Jahresbericht für das Jahr 1921:

"Die finanzielle Situation des Vereins ist keine hoffnungsvolle, wie aus dem Kassenbericht ersichtlich ist. Der Kassier war veranlasst, säumige Mitglieder an die Bezahlung ihrer Beiträge zu erinnern.

Der Vorstand war und ist bestrebt, den Mitgliedern durch Versammlungen, Vorträge und Publikationen möglichst viel zu bieten."

Im Jahresbericht pro 1923 wird dem Bedauern darüber Ausdruck gegeben, dass die 3. Freie Vereinigung schlecht besucht war, trotz
dem aktuellen Vortrag von Prof. Jovanovits über "Künstliche Gerbstoffe und Gerbstoffersatz". Wir hatten leider den Fehler begangen, die Veranstaltung während der Mustermesse in Basel abzuhalten.

Besser ging es in der "Freien" vom 5. Dezember 1924 in Schönenwerd. Gemäss Präsenzliste waren 52 Mitglieder anwesend. (1926 zählte der Verein 54 Mitglieder).

Programm: Einladung zur Besichtigung der Bally Schuhfabriken AG., des Bally-Museums unter Führung von alt. Nationalrat E. Bally. Prior, anschliessend Mittagessen im "Storchen", von der Firma offeriert und zum Kaffee Vortrag von Herrn Chollet, Chemiker der Firma Bally, über Lederschäden in der Schuhfabrikation. Kommentar überflüssig.

 

Es würde zu weit führen, alle Betriebsbesuche und die Gastfreudigkeit der betreffenden Unternehmen zu beschreiben, - ebenso die zahlreichen Vorträge im eigenen Rahmen oder an ausländischen Kongressen.

Immerhin sei erwähnt, dass uns der Nobelpreisträger, Prof. Karrer, einige Jahre als Mitglied angehörte und am Basler-Kongress im Jahre 1931 den Eröffnungs-Vortrag hielt. Ebenso war später ein zweiter Nobelpreisträger, Herr Dr. Müller von der Firma Geigy AG. unser Mitglied. Er beschäftigte sich damals mit den synthetischen Gerbstoffen, wodurch er dann in die Schädlingsbekämpfung übersetzte.

Während die Häuteschädenkommission in den Sektionen der internationalen Vereine fast ausschliesslich aus Chemikern bestand, wurde bei uns anders vorgegangen, d.h., man gelangte hauptsächlich an Interessenten-Verbände und deren Exponenten. Es ergab sich in der Folge, dass die SHSK sich auf eigene Füsse stellten musste und es seither so geblieben ist. Auch hatte sie anfangs das Budget des VESLIC zu sehr belastet.

Im Jahre 1924 erachtete der VESLIC es für nötig, einen Beschluss über einheitliche Verwendung des Hautpulvers zu fassen, um dem Durcheinander zu steuern. Die Schüttel- und Filtermethode stehen im Kreuzfeuer und der VESLIC dazwischen.

Nach aussen wurde unser selbständiger Verband ab und zu gerne als Sektion des einen oder andern internationalen Vereins angesprochen, wogegen sich der Präsident des öfteren ebenso höflich als energisch wehren musste. An Schreibereien fehlte es daher Jahr aus Jahr ein nicht, - mit dem Inland wie mit dem Ausland.

Nach zahlreichen Vernichtungen von unwesentlichem verbleiben 4 dicke Dossiers (die Dossiers des Basler-Kongresses nicht mitgerechnet), die mir bei der Niederschrift dieser Erinnerungen zu statten kamen und die ich dem VESLIC zur Verfügung halte, dem ich an die 30 Jahre als Präsident dienen durfte. Neben der gerbereichemischen Tätigkeit im Interesse unserer Lederindustrie war ich stets bestrebt, die Fäden zwischen den beiden internationalen Verbänden nicht ganz abreissen zu lassen, um sie nach und nach wieder kräftiger zu gestalten. Am 28. August 1922 bedauerte der Vize-Präsident der SLTC, Dr. J. Gordon Parker in London, an einer unserer Veranstaltungen nicht teilnehmen zu können, nachdem der VESLIC bereits zur Teilnahme am Londoner-Kongress 1921 eingeladen worden war.

Der Wunsch der Zusammenarbeit und des Wiedersehens der fremden Kollegen unter sich äusserte sich dadurch, dass man von beiden Seiten an Veranstaltungen des VESLIC gerne eingeladen sein wollte, indem die politischen Verhältnisse eine offizielle Fühlungnahme verunmöglichten. In den Jahren 1923 - 1925 war der Präsident zugleich Präsident der SLTC. Der Kongress war im Jahre 1925 in Paris an der Sorbonne. Von schweizerischer Seite war der offiziellen Einladung niemand gefolgt, was aus verschiedenen Gründen zu bedauern war. Es war ein unglückliches Zusammentreffen mit
eigenen Verpflichtungen der Schweizerischen Lederindustriellen.

Nach diesem Kongress intensivierte sich unsere Vermittlerrolle, so anlässlich der Wiener-Tagung vom 7. - 9. Oktober 1926. Besprechungen und Korrespondenzen mit den Exponenten beider Lager hatte ich seit Jahren geführt mit wechselndem Erfolg.

In Wien war dann von Seite des IVLIC eine Delegation bestellt worden, welche bereit war, sich im Mai 1927 nach London zu begeben, um unter meinem Vorsitz einen Versöhnungsversuch mit den Vertretern der Eutenteverbänden herbeizuführen. (Brief Stiasny 5.4.1927). Man hatte hierzu Basel vorgesehen, aber die Engländer bestanden auf dem Verhandlungsort London, zumal der nächste Kongress dort stattfinden sollte und auch Besprechungen diesbezüglich, besonders wegen Vereinheitlichung der Analysenmethoden, zu führen waren. Neue Schwierigkeiten waren zu überbrücken, die ich in einer 2-tägigen Besprechung in Darmstadt (26./27. März 1927) mit dem Kollegen Stiasny endlich überwinden konnte.

So kam denn die Internationale Konferenz in London vom 3.- 5. Mai 1927 zustande. Je 3 Delegierte der ISLTC, des IVLIC und der ALCA (American Leather Chemists Association) trafen sich 11 Uhr vormittags des 3. Mai im Hotel Cecil in London. Der Verhandlungstisch war mit der Schweizerflagge bedeckt. Die Versöhnung verlief wunschgemäss, - ich möchte sagen programmgemäss. Ein Frühtrunk besiegelte die Verständigung. Man setzte sich in der Folge an den Verhandlungstisch für die technischen Besprechungen. Die Zusammenarbeit der 3 Vereine war nun wieder gesichert. Eine Fusion kam nicht mehr in Frage; eine solche wäre auch administrativ zu schwerfällig geworden. Auch habe ich schon damals mit dem Generalsekretär der ISLTC, Herrn Ing. Thuau, den Gedanken einer Föderation oder Union sämtlicher gleichberechtigter und weitgehend
autonomer Landesverbände im Auge.

Sieben Jahre hatte es gedauert, bis sich die Überbrückung der Schwierigkeiten und Widerstände durch die VESLIC-Brücke beseitigen liessen. Es war für alle Teilnehmer ein grosser Tag. Verschiedene Bankette besiegelten die glücklich verlaufene Interkonferenz.

Mit der Schweizerflagge auf dem Verhandlungstisch hatte es seine besondere Bewandtnis. Bereits um die Jahreswende hatte ich in Basel unserm schweizerischen Gesandten in London, Herrn Minister Paravicini, meine Absichten auseinandergesetzt und den Wunsch geäussert, den Versöhnungsakt in der schweizerischen Gesandtschaft in London vornehmen zu dürfen. Minister Paravicini zeigte volles Verständnis für diesen Plan und erklärte sich bereit, die Delegierten nach dem Versöhnungsakt zu einem Lunch oder Dinner auf der Gesandtschaft einzuladen. Hierauf erklärte das
Politische Departement, dass es die Vermittlerrolle schweizerischerseits sehr begrüsse, dass jedoch vorgezogen werde, wenn dies ausserhalb der Gesandtschaft geschehe. Minister Paravicini hielt aber seine Einladung zu einem Déjeuner auf der Gesandtschaft aufrecht; es wurde aber in der Folge des Verhandlungsprogrammes aus taktischen Gründen darauf verzichtet und dem Herrn Minister meinerseits im Namen der 3 Delegationen gebührend
gedankt.

Es begann nun eine erspriessliche Zusammenarbeit. Im Herbst 1927 fand der Kongress in London statt. Zwei Jahre darauf in Prag und dort wurde beschlossen, im Jahre 1931 den langersehnten Wunsch, in der Schweiz zu tagen; zu verwirklichen und die Einladung des VESLIC, 1931 in der Schweiz zu tagen, mit Begeisterung angenommen. Diese Ehre fiel auf Basel, in Würdigung unserer langjährigen Bemühungen für die internationale Verständigung.

Der Kongress in Basel (13. - 18.9.1931) war ein voller Erfolg dank der verständnisvollen Mitarbeit und der grosszügigen finanziellen Unterstützung durch die Chemische Industrie in Basel und der interessierten Verbände der Lederindustrie. In der Schweizerischen Lederindustrie-Zeitung wurde im Jahre 1931 ein Bericht veröffentlicht (s. 12. Jahresbericht des VESLIC pro 1931/1932). Ich beschränke mich darauf zu bemerken, dass die Vorbereitungen des Kongresses über ein Jahr angestrengtester Arbeit bedurften. Bundesrat Dr. E. Schulthess übernahm das Ehren-Präsidium und delegierte Herrn Dr. J. Hotz, Vize-Direktor der Handelsabteilung des Eidg. Volkswirtschaftsdepartementes.

Die Vortragsserie wurde durch unser damaliges Mitglied und späterer Nobelpreisträger Prof. P. Karrer, Ordinarius für organische Chemie an der Universität Zürich eröffnet. Ihr Präsident durfte in der Folge die Ehrenmitgliedschaft des IVLIC auch als ständiges Vorstandsmitglied mit beratender Stimme entgegennehmen. Im Übrigen zählte der VESLIC einen weiteren späteren Nobelpreisträger in seinen Reihen: Dr. Paul Müller von der J.R. Geigy zur Zeit seiner Tätigkeit in der Forschung der synthetischen Gerbstoffe.

Am 9. Dezember 1933 fand in Olten eine Diskussionsversammlung des VESLIC mit der Technischen Kommission des VSG statt. Solche gemeinsamen Beratungen wurden alljährlich, z.B. am 26.11.1938 in Pfäffikon, durchgeführt, doch muss in dieser kurzen Übersicht für genaueres auf die erwähnte Aktensammlung verwiesen werden.

Im Jahre 1935 hatten wir den Verlust unseres Vize-Präsidenten und Mitgründers des VESLIC, Herrn H. Stärkle, Präsident des V.S.G., Gossau, zu beklagen.

1936 wurde mit einem Rundschreiben vom 23. September ein Vorstoss zur Erhöhung der Mitgliederzahl unternommen, indem man besonders in den Beitritt von Firmen als ausserordentliche Mitglieder Hoffnung setzte, wie aus dem Jahresbericht des VESLIC 1936/37 zu ersehen ist. Das Rundschreiben hatte jedoch nur geringen Erfolg.

Am Kongress in Kopenhagen (1937) wurde der Präsident des VESLIC zum Vorsitzenden einer Kommission gewählt, welche den föderativen Zusammenschluss aller Sektionen bezweckte. (17. Jahresbericht des VESLIC, 1937 - 1938).

Die Zusammenarbeit mit der Versuchsanstalt St. Gallen wurde immer mehr gefördert. Schon im Jahre 1925 hatte der Präsident die Anregung gemacht, an der Versuchsanstalt Gerberkurse abzuhalten. (Brief 25.5.1925 an Prof. Jovanovits sowie Brief Jovanovits an den Unterzeichneten vom 28.7.1925). Der erste Gerberkurs wurde dann im Jahre 1926 abgehalten. Wiederholt wurde auch aus Gerberkreisen dem Wunsch nach solchen Kursen Ausdruck gegeben.

1935 war die Jahresversammlung in Biel; 1936 in Stansstaad. Es waren für den VESLIC wenig ereignisvolle Jahre. 1937 war diese Tagung in St. Gallen. Der VESLIC zählte damals 57 Mitglieder. Die Versuchsanstalt war mittlerweile zur Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt "umgewachsen" und in den neuen Räumen untergebracht, durch welche wir von dem nunmehrigen Direktor, Herrn Prof. Jovanovits, geführt wurden.

1938 führte uns nach Lugano zur 19ten Jahresversammlung (24./25. September). Im 20ten Jahresbericht 1938/39 wird an das 20-jährige Bestehen des VESLIC erinnert.

1939, unmittelbar vor Ausbruch des Krieges, vertrat der Präsident den VESLIC am Kongress in London, der bereits unter den Kriegsvorbereitungen litt. Seine Mission, das Föderationsbestreben zu fördern, wurde in London bestätigt.

Dann kam der Krieg.

Eine "Freie" in Verbindung mit der Technischen Kommission, war im Zeichen der kriegswirtschaftlichen Verhältnisse. Die Generalversammlung 1939 fand unter dem Vorsitz von Dr. A. Kägi im Kongresshaus in Zürich statt. Anwesend waren 35 Mitglieder.

1940 fand die Generalversammlung in Sitten statt. Ich erinnere neuerdings daran, dass ich eine jüngere Kraft an das Präsidium wünschte und mein 20-jähriges Amt niederzulegen gedachte. Ich predigte tauben Ohren.

Trotz Krieg und Mobilmachung konnte der VESLIC seine Tätigkeit fortsetzen und der Präsident unterhielt Beziehungen zu den ausländischen Kollegen, soweit dies möglich war.

1941 führte uns zur Jahresversammlung nach Brienz und eine "Freie" mit der Technischen Kommission nach Baden und zu Brown Boveri. Im Laufe des Jahres verloren wir unser langjähriges Vorstandsmitglied, Herrn F. Chollet und am 23.6.1943 wurde uns unerwartet rasch unser verdienter Prof. Jovanovits durch den Tod entrissen.

Der 16.10.1943 fand nur zu einer "Freien" in St. Gallen ausser der Jahresversammlung in Engelberg im üblichen Rahmen. Unser Mitglied, Herr Dr. Engeler, wurde an Stelle von Herrn Prof. Jovanovits seI. zum Direktor der EMPA ernannt.

Im Jahre 1944 erreichten wir in der S.H.S.K., dass der Bundesrat die Bekämpfung der Dasselplage durch eine Verordnung vom 11. Februar 1944 als obligatorisch erklärte.

Das Jahr 1945 findet uns aus dem Kriege so weit glücklich hinübergerettet in Locarno zur Jahresversammlung. Neue Initiativen machen sich bemerkbar. Die durch den Krieg eingeschlafene Analysenkommission erwacht im neuen Gewande. Man sehnt sich auch wieder nach persönlicher Fühlungnahme und der Vorstand begrüsst es, dass der Präsident den Föderationsgedanken immer weiter verfolgt hat.

1946 findet uns in Gutenburg. Der Präsident erklärt sich bereit, das Amt nochmals für ein Jahr zu übernehmen, - aber zum letzten Mal. Gemäss Protokoll einer Vorstandsitzung vom 6.Mai 1947 in Zürich wird neuerdings die Mission des VESLIC festgelegt. Die neuen Verhältnisse zwingen zur Statutenrevision. Der Präsident hatte dann eine Besprechung in Paris zusammen mit den Herren Prof. Engeler und Baumann, um den Standpunkt des VESLIC gegenüber der zu gründenden Union und die Beitrittsbedingungen für den VESLIC zur Union klarzustellen. An der Generalversammlung in
Hurden vom 5. Juli 1947 wird des verstorbenen Mitgliedes, Herrn
P. Funk, gedacht.

Der Vorstand setzt sich nun ausfolgenden Herren zusammen:

Prof. Dr. Engeler, Präsident,
Dr. Gansser, Ehrenpräsident,
Dr. Baumann,
Dr. Pfister,
V. Oberlin,
H. Weber,
Dr. Kägi.

Am 6. Februar 1948 berichtet Dr. Gansser in Rheinfelden über die Besprechungen in Paris. Am 7. Februar wurde den Rheinsalinen Ryburg ein Besuch abgestattet. An der Generalversammlung des VESLIC in Zug am 3.Juli 1948, die seit 1946 getrennt von derjenigen des V.S.G. abgehalten werden muss, wird der Beitritt des VESLIC als Mitglied der "Union" beschlossen. Die Delegation für den Kongress 1949 nach Paris wird bestimmt und Dr. Gansser ersucht, sich fernerhin als Betreuer der ausländischen Beziehungen zur Verfügung zu stellen.

Ich habe die letzten Ereignisse hier nur kurz und unvollkommen gestreift. Ich habe mir die Aufgabe gestellt, nicht die Vergangenheit der Vergessenheit zu entreissen und versucht, das wesentliche aus dem umfangreichen Aktenmaterial herauszulesen, insoweit mir die kurze Zeit, die zur Verfügung stand, dies gestattete.

Es ist also ein unvollständiger, lückenhafter Überblick geworden, den ich nach 30-jährigem Dienst am VESLIC meinen Nachfolgern mit den besten Wünschen übergebe. Ich stelle dabei fest, dass der Bestand des VESLIC mehr denn je gefestigt erscheint und zwar aus zwei Gründen:

Erstens ist seine Führung in besten Händen und zweitens ist durch die Umgestaltung der internationalen Verbände in eine internationale Union eine demokratische Form gefunden worden, die für den Weiterbestand besondere Garantie bietet. In diesem Bunde, genannt "Union", ist der VESLIC ein autonomer "Kanton" geworden, gerade so wie Belgien, Holland, Frankreich, England, Italien, U.S.A., und das ist recht so. Ich darf also mit Befriedigung auch feststellen, dass meine langjährigen Bemühungen zur Schaffung einer solchen Union in Zusammenarbeit mit meinen Kollegen Thuau in Paris endlich die erhofften Früchte getragen hat.

 

Die nächsten 30-75 Jahre

2. Teil: 1949-1994

 

basierend auf dem Jubiläumsbericht zum 75-jährigen Bestehen des Vereins Schweizerischer Lederindustrie-Chemiker (VESLIC)

 

von

dipl. Ing. chem. ETH Bruno Martinelli

28. Juni 1994

 

Nationale und internationale Veranstaltungen

 

Nach dem zweiten Weltkrieg dauerte die Zeitspanne bis zur Versöhnung unter den verschiedenen nationalen und internationalen Vereinen und Verbänden nicht mehr so lange wie nach dem ersten Weltkrieg. Bereits 1947 fanden die entscheidenden Gespräche mit massgebender Beteiligung des VESLIC statt. Die neue internationale Union IULCS wurde aus der Taufe gehoben. Der VESLIC trat ihr 1949 als Mitglied bei und war massgeblich nicht nur an der Entstehung der Union, sondern und vor allem an deren erfolgreicher Entfaltung beteiligt. Und doch dauerte es nahezu dreissig Jahre bis der VESLIC sich erneut zur Durchführung eines internationalen Kongresses zusammenraufte, denn in dieser Angelegenheit war man im VESLIC nicht mehr so ganz einig.

1967 war es endlich soweit: Luzern war für einige Tage der Nabel der Gerberwelt! Damit wurde zweifelsohne auch das breitangelegte Engagement des VESLIC belohnt und geehrt. Die Kongressdurchführung musste an die erfolgreiche Tätigkeit des VESLIC seit seinem Bestehen anknüpfen; nichts durfte schiefgehen. Mindestens drei Jahre dauerten die organisatorischen Vorbereitungsarbeiten durch eine extra dafür eingesetzte Spezialkommission in Zusammenarbeit mit den Behörden der Stadt Luzern. Vor allem das Datum war ganz sorgfältig, vorbei an SIC in Paris und Musikfestwochen in Luzern, seit nun drei Jahren festgelegt und entsprechend publik gemacht worden.

 

Und über Nacht das «Unfassbare»: die SIC verschob das Anfangsdatum – der «Kongress zitterte» und hüben und drüben gab es tiefrote Köpfe. Über diese Turbulenz rapportiert der Protokollführer der GV 1967 wie folgt: « … ist der Messeanfang 1967 auf Freitag angesetzt. Nach Bekanntgabe der Daten für die Semaine du Cuir 1967 ging nun ein mächtiges Kesseltreiben los. Von allen Seiten, über alle möglichen Beziehungen wurden wir angegangen und ersucht, unsere Kongressdaten zu verschieben. Ja es fehlte sogar nicht an ernst gemeinten Vorschlägen, von Luzern als Tagungsort abzusehen und den Kongress in Paris durchzuführen! … das Organisationskomitee … hielt aber nach reiflicher Überlegung am Kongresstermin fest … Die Datenkollision mit der SIC ist bis zu einem gewissen Grade bedauerlich. Sie hätte sich bei einigermassen gutem Willen seitens der Messeleitung vermeiden lassen. Uns aber nachträglich vorzuwerfen, wir hätten eigenmächtig gehandelt, ist allerdings fehl am Platze. Auf Grund der schon in erfreulicher Zahl eingegangenen Voranmeldungen ist zu erwarten, dass der Kongress 1967 einen guten Beteiligungserfolg haben wird.»

Und tatsächlich war dem Kongress in Luzern in jeder Hinsicht ein grosser Erfolg beschieden. Der Versuch, einen Tag für eine spezielle Diskussionstagung zu reservieren – das Thema war die Chromgerbung -, erwies sich als gelungen. Die Referats- und Diskussionsbeiträge der «Diskussionstagung» wurden redaktionell aufgearbeitet und nachträglich den Interessenten zugestellt, was sich allerdings als weniger erfolgreich erwies. Als ebenso «gelungen» wie die «Diskussions-Tagung» dürfte das festliche Bankett auf dem Bürgenstock bezeichnet werden – ein Beweis allerbester schweizerischer Hotellerietradition und Perfektion.

Das Unternehmen «Kongress» entsprach auch bei den Finanzen den Erwartungen: gut hunderttausend Franken Bilanzsumme mit einem bescheidenen, aber sehr willkommenen Gewinn von einigen tausend Franken.

Ende der 60er Jahre war wohl die letzte Möglichkeit für einen kleinen Verein, den internationalen Kongress zu organisieren. Hernach wuchs die Veranstaltung in «olympischen Gigantismus» hinein, sodass für den VESLIC nur noch die Organisation von Anlässen in kleinerem Rahmen übrigblieb. Und die Gelegenheit bot sich in Form der sogenannten «Gemeinsamen Tagungen» zusammen mit VGCT und VÖLT. 1980 war der VESLIC an der Reihe.

Wir trafen uns mit den Kollegen aus den umliegenden Ländern in Interlaken, in dem neuerstellten Kongresszentrum. Trotz dem ausgezeichnet dotierten Vortragsprogramm dürfte den meisten Teilnehmern am ehesten der fröhliche Fondue-Schmaus auf dem Schiff in Erinnerung geblieben sein. Von einem prominenten Gast aus dem Ausland ist festgehalten: «Die Veranstaltung dürfte bei allen Teilnehmern in denkbar bester Erinnerung bleiben. Dank gebührt dem VESLIC besonders für die … Fondue-Party und die Bereitschaft, auch ans allgemeine Defizit mittragen zu helfen.»

Der VESLIC wünschte mit Nachdruck eine gemeinsame Tagung ganz nah an der Grenze und nach Möglichkeit zu einem anderen Termin. Der Auffahrts-Termin ist offenbar unverrückbar. Aber der erste Wunsch wurde 1992 mit der Tagung in Friedrichshafen erfüllt. Der VESLIC beteiligte sich wohl finanziell mit einem rechten Betrag am Rahmenprogramm – die Beteiligung von Mitgliedern war aber leider nicht so grossartig. Im VESLIC hat sich die Mitgliederstruktur stark gewandelt, und doch bleibt zu überlegen, mit welchen Mitteln mehr Teilnehmer zu diesen meistens doch schönen und interessanten Tagungen angelockt werden können. Auch ohne technisches Interesse bleiben viele andere attraktive Aktivitäten sowie die Pflege weitgespannter freundschaftlicher Beziehungen.

Werden zu den internationalen Veranstaltungen auch Sitzungen von internationalen Kommissionen gezählt, so darf der VESLIC bestimmt zu den fleissigen Gastgebern gerechnet werden. Praktisch in jedem Jahr sind solche wichtigen Sitzungen festgehalten. In gewissen Jahren wurde das Gastrecht des VESLIC fast im Übermass beansprucht: IEKL im April in Basel, physikalische Lederprüfung im Mai in St. Gallen und Glossary im September ebenfalls in St. Gallen. Dazu noch die laufenden internen Sitzungen – und das Ganze bei ca. 100 Mitgliedern, wovon weniger als die Hälfte zu den wirklich aktiven gehören. Der VESLIC-Fleiss wurde schon an anderer Stelle gelobt! Auch bei den internationalen Kommissionen ist die Gangart gegenwärtig um einiges ruhiger und beim VESLIC haben sich tragende Strukturen grundlegend gewandelt. Dennoch sollte die traditionelle «Brücken-Rolle» des VESLIC nicht ganz in Vergessenheit geraten.

 

Ein Prüfapparat macht Geschichte

 

Was hat die Geschichte der Erfindung und Entwicklung eines Prüfapparates in dieser Schrift verloren? Insider wissen es und werden diese scheinbare kleine Extravaganz bejahen. Der Prüfapparat symbolisiert den forschenden Geist, den Willen zur Selbstbehauptung, die Initiative, den Fleiss und auch die Weitsicht eines kleinen Vereins. Sie haben es gemerkt: vom Reibechtheitstester ist die Rede, der als Reibechtheitstester FEK-VESLIC effektiv um die Welt ging.

Viele verschiedene wichtige Gebrauchs- und Verarbeitungseigenschaften der Lederoberfläche - vom Velours bis zum Schleifbox - sind nur durch mechanische Einwirkung beurteilbar. Hierfür bediente man sich anfangs der fünfziger Jahre, ähnlich wie bei derTextilprüfung, des Crockmeters - ein unmögliches Gerät, das eher wie eine Heuschrecke als wie ein Werkzeug aussah. Und da war auch ein von der Qualitätsverbesserung seines Oberlederfabrikates besessener, findiger Geist. Nicht nur erkannte er die vielen Unzulänglichkeiten des Crockmeters für die Lederprüfung, sondern er verstand es auch, diese zu beheben und einen lederspezifischen, breiteinsetzbaren Prüfapparat zu konstruieren.

«Messe was messbar ist, und was nicht messbar ist, mache es messbar!» Das trifft auf den Reibechtheitstester VESLIC bestens zu.

In den VESLIC-Akten taucht der Reibechtheitstester in einem Vorstandsprotokoll im Jahre 1960 offiziell erstmals auf. Denn an der gleichen Sitzung überlässt «der findige Geist», Herr Otto Schibli von der Gerberei Hagnauer in Aarburg, alle Urheberrechte dem VESLIC.

 

Reibechtheitstester FEK-VESLIC mit Zusatzgerät Thermostempel

 

 

Wir lesen dort, « ... die ganze Entwicklung sei seines Erachtens eine Gemeinschaftsarbeit mit der Farbechtheitskommission». Der Vorstand beschliesst alsdann, die Apparate an Interessenten zu verkaufen, wobei der Anteil am Verkaufserlös für den VESLIC in kleiner Prozent des Verkaufspreises gleich festgesetzt wird. Mittlerweile wurde auch beschlossen, den Erfinder mit einer kleinen Geste zu beehren: « ... also Fr. 799.- als kleine Anerkennung für die Entwicklung der Prüfapparatur zu überweisen. Der Vorstand akzeptiert den Beschluss der Farbechtheitskommission und beauftragt das Sekretariat, die Auszahlung vorzunehmen. (Dies ist mittlerweile geschehen, wobei wir in grosszügiger Weise von Fr. 799.- auf Fr. 800.- aufgerundet haben: Das Sekretariat!)» Humorvoller Beginn einer spektakulären Apparatekarriere. Die Sache hatte sich offenbar rasch herumgesprochen. Es fehlte nicht an Interessenten im In- und Ausland, auch ausserhalb der Lederindustrie.

Anfangs Januar 1962 war die erste Serie von 10 Stück lieferbar; Mitte Februar die zweite 10er Serie, Ende April 1962 eine 20er Serie. Bald war das VESLIC-Sekretariat mit der Auslieferung der Apparate, vor allem ins Ausland, überfordert. Zudem musste baldmöglichst eine mehrsprachige Betriebsanleitung sowie die dazugehörende VESLIC-Prüfrichtlinie bereitgestellt werden. Eine hektische Zeit! Die Firma Kueny, Hersteller der Maschine, besorgte von nun an auch den administrativen Ablauf der Lieferungen, der VESLIC «kontrollierte» von Zeit zu Zeit die ausgelieferten Apparate. Der Vertrag per Handschlag mit der Firma Kueny hatte lange noch Gültigkeit.

1965 war der Apparat auch offiziell eingeführt « ., dass die internationale Farbechtheitskommission in Lyon den Reibechtheitstester FEK-VESLIC und die dazugehörenden Prüfmethoden offiziell anerkannt hat. Das sollte sich auf den Umatz neuer Prüfapparate stimulierend auswirken.» Aber die internationalen Mühlen mahlten schon damals sehr langsam. So musste auch der Reibechtheitstester, entgegen offiziellen Zusicherungen, seine Geduldsprobe bestehen. Im Tätigkeitsbericht 1971 (also sechs Jahre nach der offiziellen Anerkennung) ist nämlich festgehalten: « ... weitgehende Bereinigung der offenen Frage ... nicht zuletzt auch des offenen Ohres wegen, welches die Farbechtheitskommission den englischen Wünschen und Anregungen verliehen hat. Die Farbechtheitskommission erwartet nunmehr ganz entschieden, dass die längst fälligen Publikationen verwirklicht werden, und zwar auch diejenigen über die Prüfungen mit dem Reibechtheitstester VESLIC, damit die Arbeitsweise dieses weltweit bekannten und verbreiteten Prüfgerätes endlich die verdiente internationale Anerkennung finde!» - Ganz schön trotzig!

Dank der gezielten und intensiven Arbeit der Farbechtheitskommission eroberte sich der Reibechtheitstester eine ganze Reihe von Prüfsegmenten: Reibechtheit trocken und nass, Scheuerechtheit, reibendes Touchieren nach Befeuchtung der Lederrückseite mit Wasser oder mit Lösungsmittel, Schleifen, Rauhen, Prüfung mit Filz und Band, mit schwarzem Filz, Thermotester mit speziellem Stempel und anderes mehr. Ein weiterer Ausbau des Reibechtheitstesters zum Beispiel mit rotierendem Prüfkörper ist im Studium.

Viele günstige Umstände, insbesondere die nach technischer Erneuerung hungrige Zeit und eine langanhaltende gute Konjunktur, machten den Reibechtheitstester zur munter sprudelnden Geldquelle. Damit waren die finanziellen Sorgen für den VESLIC vergessen, sein Renommee unumstritten.

Der weltweite Siegeszug des Apparates rief Mitte der 80er Jahre die Nachahmer auf den Plan, die mit billigeren Angeboten und mit dem Namen VESLIC den vermutlich schon recht gesättigten Markt zu erobern versuchten.

Die billigen Nachahmer: Ärgernis und Freude zugleich, denn nur wirklich Erfolgreiches wird kopiert!

Ab 1990 liefert auch die Firma Bally, in Absprache und mit Zustimmung des VESLIC, einen Prüfapparat, der mechanisch einige Verbesserungen aufweist und dem als zweite Generation der Reibechtheitstester viel Erfolg zu wünschen ist.

 

Förderung der Weiterbildung und des sozialen Kontaktes

 

Dem «geselligen Beisammensein» wurde immer eine grosse Bedeutung eingeräumt. Die Tagung sollte nicht nur der fachlichen Weiterbildung, sondern auch, im Rahmen des Machbaren, dem Sich-besser-Kennenlernen dienen. Die hierfür zur Verfügung stehende Zeit war im allgemeinen sehr knapp, wenn man bedenkt, dass noch in den 40er Jahren die Tagungen am Samstag und meistens nachmittags und auch abends stattfanden. 1946 trennte sich die GV von VESLIC und Verband Schweizerischer Gerbereien. Die Interessen eines Industrieverbandes und eines Vereins wie der VESLIC liefen doch ziemlich auseinander. Auch wurden viele Aufgaben allein vom technischen Kader betreut.

Während gut 30Jahren wurden die statutarisch vorgeschriebenen zwei Anlässe jährlich beibehalten: die GV im Frühjahr und die Diskussionstagung im Herbst. In regelmässigen Abständen lief die GV sogar zweitägig, jeweils mit Damen, was die gesellschaftliche Bedeutung des Anlasses unterstrich.

Mit den Tagungen sind für viele VESLIC-Mitglieder unvergessliche Erlebnisse verbunden. Einzelne Tagungen hervorzuheben wäre ungerecht, auch wenn die eine oder andere in einem ganz besonderen Rahmen ablief. Allerdings, eine Tagung darf nicht vergessen werden: der ganz festliche Anlass zum 50jährigen Jubiläum des VESLIC im Jahre 1969. Der Protokollführer notiert: « ... in einem etwas besonderen Rahmen zu feiern .... Das Schwergewicht soll auf eine wissenschaftliche Tagung, eingebaut in einer gesellschaftlichen Veranstaltung gelegt werden.» In St. Gallen, zwischen Hochschule und Schützengarten ging die Tagung perfekt über die Bühne. Der gehobene Standard war eindeutig auf die Bedeutung des Anlasses abgestimmt. Die Absicht, neue Methoden der modernen Analytik vorzustellen, traf voll ins Schwarze. Gesamthaft war die Tagung ein grosser Erfolg, der weitherum anerkannt wurde. Nur einzelne «Praktiker» fanden das Niveau zu hoch; sie hatten aus den Referaten keinen Nutzen ziehen können. Allen recht gemacht ist eine Kunst...!

Seminare und Tagungen und Kurse: das Erscheinungsbild unserer Zeit! Die starke Inanspruchnahme der aktiven Mitglieder durch die Kommissionsarbeit und die zwei bis drei Tage der inländischen Tagungen (die ausländischen nicht mitgerechnet) zwangen zu gewissen Überlegungen bezüglich Anzahl und Dauer der Veranstaltungen. So musste der Vorstand sich den praktischen Gegebenheiten beugen und das Tagungswesen radikal revidieren. Ab 1978 wurden GV und Diskussionstagung zusammengelegt und am gleichen Tag im Herbst abgehalten. Von nun an galt es, Thema und Referent noch sorgfältiger auszuwählen und die verfügbare Zeit noch geschickter auszunützen, damit die VESLIC-Tagungen weiterhin das attraktive und interessante Erlebnis bleiben könnten. Durch die Atmosphäre der Tagung sollen die Teilnehmer von der unveränderten Attraktivität des Vereins begeistert bleiben, damit möglichst viele Mitglieder den Mut fassen, sich stärker für die «gesellige» Vereinsarbeit einzusetzen.

 

Kommissionsarbeit

 

Initiative, Disziplin und Fleiss bilden die Voraussetzungen für die Entfaltung und Festigung eines Vereins. Dazu gehört auch der sorgfältige Einsatz der verfügbaren finanziellen Mittel. Von diesem Standpunkt aus ist die Kommissionsarbeit im VESLIC gestaltet worden. Die Kommissionsarbeit bildet ohne Zweifel den Kern und absoluten Schwerpunkt der VESLIC-Aktivitäten. Über die Kommissionen galt es mit der Entwicklung in der Leder- und Schuhindustrie durch Schaffung und Anpassung der notwendigen Richtlinien Schritt zu halten. Die Zeit drängte, bedeutende Interessen der schweizerischen Industrie könnten gefährdet werden: « ... da im Ausland ... man bemüht ist, solche Vorschriften zur Prüfung aufzustellen und international genehmigen zu lassen. Wir möchten vermeiden, dass uns vom Ausland gewisse Normen auferlegt werden, die eventuell gegen die schweizerischen Interessen laufen könnten.» Die Ziele waren damit klar gesteckt, ein schneller Marschschritt war gefragt: «Man zweifelt nicht am Willen und an der guten Absicht, so speditiv als möglich arbeiten zu wollen. Man würde es aber doch gern sehen, wenn noch etwas mehr Dampf zugesetzt würde.»

Die bestehenden fünf Kommissionen waren immer wieder Gegenstand von Umstrukturierungen, um «die vordringlichsten Arbeiten in absehbarer Zeit zu Ende zu führen». Diese klare Aufforderung ist die Erklärung für den nicht geringen nationalen und internationalen Erfolg der Kommissionsarbeit: es gelang, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren - Arbeitsgruppen zeigte auch in den entsprechenden internationalen für wohl interessante, aber brotlose Ausflüge waren weder Zeit noch Personen vorhanden.

Die zahlreichen und wiederkehrenden Umstrukturierungen bezweckten eine neue Zuteilung der Aufgaben für eine möglichst ausgeglichene Auslastung der Beteiligten.

1956 stehen im Verzeichnis der Mitglieder der fünf VESLIC-Arbeitsgruppen 27 verschiedene Personen bei einem totalen Mitgliederstand von 90, Firmenmitglieder eingerechnet. Also nicht nur Geld, sondern auch die Mitarbeiter mussten sehr sorgfältig eingesetzt werden. Dabei wurde den Beteiligten und deren Firmen einiges an Einsatz und Opferbereitschaft abverlangt, wurde zum Beispiel doch erst 1985 ein bescheidenes Sitzungsgeld «alles inklusive» eingeführt. Aber mit grosser Begeisterung wollte jeder seinen Beitrag leisten zur Verbesserung der Lederprüfmethodik und zum Wohle des VESLIC. Der Fleiss der Gremien den erhofften Erfolg. Während Kommissionsmitglieder von anderen Vereinen noch überlegten, wie und was, legte der VESLIC-Delegierte eine bereits einigermassen erprobte Prüfvorschrift auf den Tisch. Dieses Eintreten für die Prüfmethodik trug nebenbei auch zum guten internationalen Ansehen der schweizerischen Lederindustrie und verwandter Branchen bei. Einige Jahre waren die wichtigsten internationalen Kommissionen alle von VESLIC-Mitgliedern präsidiert.

Überfliegt man die an der GV erstatteten Berichte der Arbeitsgruppen, so fällt ein Dauerbrenner auf: Standard-Chromleder und die damit verbundenen Applikationsmethoden. Dieses Problem hat die Farbechtheitskommission seit ihrer Gründung, das heisst seit den ersten zaghaften Schritten auf dem Gebiet der Echtheitsprüfungen im Jahre 1953, beschäftigt. Erst seit kurzem scheint sich eine gute Lösung abzuzeichnen. So schwierig ist offenbar Ledermachen, wenn wichtige Sollwerte konstant bleiben müssen!

 

Mit Freude und Stolz kann der VESLIC auch darauf hinweisen, dass die meisten internationalen Richtlinien ihren Ursprung beim VESLIC haben. Allein in den Jahren 1976 bis 1994 wurden 26 VESLIC-Richtlinien zur Farbechtheitsprüfung und 13 VESLIC-Richtlinien zur chemischen und physikalischen Lederprüfung erarbeitet und verabschiedet — die meisten von ihnen waren die Basis für die internationalen Richtlinien.

 

Die Gangart ist in den letzten Jahren um einiges ruhiger; es geht mehr um Präzisierungen, um Details. Aber die Delegierten des VESLIC sind national und international dauernd am Ball.

Vermutlich Unverständnis und vordergründige Brancheninteressen waren die Ursache, dass der so erfolgsgewohnte VESLIC ausgerechnet im eigenen Land nicht zum Zuge kam: Kennzeichnung der Oberleder-Zurichteigenschaften, die in prüftechnischer und applikatorischer Hinsicht auf den langjährigen Arbeiten der Farbechtheitskommission basieren. Es steht im Protokoll 1973: «Leider ist es mit ... der Kennzeichnung der Oberleder-Zurichteigenschaften ... stille geworden.» Die Stille vor dem Aus!

Bei so viel Engagement und Einsatz in den Kommissionen konnte nicht jederzeit alles in Minne ablaufen. Die in den Protokollen gewählten, zurückhaltenden Formulierungen lassen die temperamentvollen Wortwechsel erahnen.

Mit den Jahren waren viele Fragen beantwortet, viele Probleme aufgearbeitet. Der Nachschub in den verschiedenen Kommissionen blieb nach und nach aus. Einzig die Farbechtheitskommission behielt standhaft ihren Kurs bei, wenn ihr auch international ein rauerer Wind entgegenblies. 1983 konnte die Farbechtheitskommission ihre 50. Sitzung abhalten. Es war selbstverständlich, dies mit einem besonderen, festlichen Anlass zu begehen. Aktive, Passive und andere gaben sich die Ehre.

Betrachtet man die Traktandenlisten der Sitzungen der Farbechtheitskommission, so ist es verblüffend, festzustellen, welche Vielfalt und Vielzahl von Problemen gleichzeitig in Bearbeitung standen. Dies war nur dadurch möglich, dass die meisten Kommissionsmitglieder bereit waren, umfangreiche «Hausaufgaben» zu übernehmen. Der Vorsitz der Internationalen Echtheitskommission für Leder IEKL lag 40 Jahre ununterbrochen beim VESLIC, jetzt wurde er abgegeben. Ist das symptomatisch für die kommende Entwicklung?

In den Berichten der Arbeitskommissionen steht so gut wie nichts über Umwelt, vor allem Abwasser! War das kein Thema für den VESLIC? Doch, denn das Problem wurde bereits Mitte der 30er Jahre diskutiert. Die neuen Untersuchungen liefen aber über andere Kanäle, ausserhalb des VESLIC Dieser war mit seinem Arsenal an Prüfvorschriften allerdings auch dabei. Der Delegierte bei der Abwasser-Kommission erstattete regelmässig der GV Bericht.

Auch in die internationale Glossary-Kommission stellte der VESLIC einen Delegierten.

Eine der ersten Kommissionen war die Schweizerische Häuteschäden-Kommission, das allerliebste Kind unseres ersten Präsidenten. Diese Kommission zur Bekämpfung der mechanischen Häuteschäden am Tier und der Dasselfliege lebte praktisch immer selbständig und ausserhalb des VESLIC

Am Schluss des Kapitels über die Kommissionsarbeit ist es angebracht, den aufrichtigen Dank des VESLIC einer Institution auszusprechen, die von Anfang an durch ihre Mitwirkung vieles im Verein überhaupt ermöglicht hat. Die EMPA hat sich viele Jahre mit grossem Idealismus stark für den VESLIC engagiert. Was an Kommissionsarbeit, Versuchen und Auswertungen, Instruktionskursen, Redaktionellem, Protokollen, Referaten, Sitzungen, Tagungen, Publikationen usw. aus dem EMPA-Portal kam, liess selten zu wünschen übrig. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zeichnete den langen gemeinsamen Weg von EMPA und VESLIC. Was an Werten von St.Gallen kam, war mit den meist bescheidenen Entschädigungen gar nicht abzugelten. 1995 geht leider, im Zuge der Umwandlungen, auch diese 75jährige Zusammenarbeit zu Ende. Schade! Aber der Dank aller VESLIC-Generationen ist der EMPA sicher.

 

Ausblick

Der Ausblick schweift in eine nicht sehr sonnige Landschaft. Der VESLIC war immer mit der Realität seines Umfeldes zu stark verbunden, um von den dort stattfindenden Veränderungen nicht betroffen zu werden. Es war eine wichtige Aufgabe der letzten Jahre, sich von einem gewissen strukturellen Ballast zu befreien, die Stärken und Schwächen realistisch zu analysieren.

Der VESLIC in der Krise? Auf keinen Fall! Zu stark ist der ideelle Rückhalt: Verbundenheit, Tradition, auch Ansehen und Stolz einerseits und die materielle Basis anderseits. Es ist bestimmt nicht Aufgabe dieser Schrift, Reformrezepte aufzuzeigen. Vom VESLIC gingen bedeutende Impulse in die Welt hinaus. Nun ist es anders. Auch in einer europäisch kleineren Gerbereiwelt erwachsen dem VESLIC wichtige Aufgaben und Pflichten. Der Vorstand hielt 1993 fest: « ... Bestandesaufnahme der internen und nationalen Funktionen der VESLIC-Mitglieder vorzunehmen. Aufgrund dessen sind Repräsentanz beziehungsweise neue Chargenverteilung oder auch Austritte aus gewissen Gremien vorzunehmen.» Der Vorstand hat das volle Vertrauen aller Mitglieder. Er wird die schrittweise eingeleitete und notwendige Erneuerung in der VESLIC-gerechten Art und ohne falsche Nostalgie fortführen. In 25 Jahren wird eine weitere Generation das 100jährige Jubiläum feiern. Dieser Wunsch begleite den VESLIC auf dem weiteren Vereinsweg.


 

Die nächsten 75-100 Jahre

3. Teil: 1994-2019

 

basierend auf dem Jubiläumsbericht zum 75-jährigen Bestehen des Vereins Schweizerischer Lederindustrie-Chemiker (VESLIC)

 

basierend auf den Protokollen der letzten 25 Jahren

 

Prolog

 

Beginnen wir mit der 75 Jahr Jubiläumsfeier in Solothurn. Der Festvortrag von Dr. J. R. Randegger, Werkleiter der damaligen Ciba-Geigy AG Basel und späterer Nationalrat, war dem aktuellen wie brisanten und interessanten Thema Verantwortung für Umwelt und Gesellschaft— dargestellt am Beispiel des Werkes Basel — gewidmet.

 

Ähnlich augmentierte der VESLIC Präsident Max Gimmel in seiner Ansprache «…Vergleichen wir nun die Stimmung während der Gründerjahre mit der heutigen Situation der Lederindustrie in der Schweiz und im Ausland. Wir haben wieder einen gewaltigen politischen Umbruch hinter uns. Es ist aber nicht unsere Region, die von Entbehrungen befreit wurde. Osteuropa und China erwachen und entwickeln allein aufgrund der Grössenverhältnisse eine ungeheure Dynamik, die uns ebenfalls tangiert. Damit sind wir zwar aus dem Zentrum des wirtschaftlichen Interesses gerückt. Wir erleben aber gleichzeitig eine neue Bewegung, und zwar innerhalb Europas, mit der wir uns abheben wollen vom Gerangel um dieses riesige Volumen der neuen Märkte: Mit Qualitätssicherung und umweltgerechter Produktion wird eine neue Unternehmenskultur gefordert. Was hat das nun mit VESLIC zu tun? Ein grosser Teil der Arbeit des VESLIC bildet die Grundlage für die auf dem Ledergebiet möglichen Qualitätssicherungssysteme. Wie wurde doch der Vereinszweck 1919 beschrieben?

 

„...einheitliche Verfahren der Probeziehung und der chemischen Untersuchung, sowie der Darstellung der Untersuchungsergebnisse zu vereinbaren..."

 

Genau das brauchen wir heute dringender denn je……………»

 

Im Rückblick staunt man, wie sicher diese Prognosen waren. Was auf uns zukam und wie der VESLIC seine gesetzten Aufgaben bewältigen konnte wird in der Fortsetzung diskutiert.

 

Die Generalversammlungen

 

Die Generalversammlungen wurden regelmässig jährlich mit einem Leder bezogenen Schwerpunkt, sei es Vorträge oder Besichtigungen verbunden. Dabei wurde die Entwicklung neuer Prüfverfahren diskutiert und verabschiedet. Jetzt ging es um die Integrierung der VESLIC Richtlinien in die IULTCS Richtlinien die ab 2005 in die internationalen ISO-Standards, zugleich auch in die Europäische (EN-ISO) und letztendlich auch Schweizer Norm (SN-ISO). Ausserdem musste sich der VESLIC neuen Herausforderungen stellen. So wurden die Generalversammlungen den neuen Ansprüchen angepasst.

 

 

Die Neuorientierung, und die darauffolgenden veränderten Rahmenbedingungen der VESLIC Zielsetzungen basierten auf drei Hauptereignissen. Rückgang der Lederindustrie, EMPA schliesst die Lederprüfungsabteilung und neben physikalischen und chemischen Prüfungen treten neu Umwelt- und Gesundheitsfragen in den Mittelpunkt.

 

Bedeutung und Rückgang der Lederindustrie

 

Die Lederindustrie in der Schweiz ist eine zurückgehende Branche, obwohl sie national als auch international aktiv ist. Die Schweiz hat eine lange Tradition in der Herstellung von hochwertigem Leder und ist bekannt für ihre Expertise in der Verarbeitung von Lederprodukten. Die Exporte sind mässig und leicht rückläufig. Dagegen steigen die Importe an.

 

Die Schweizer Lederindustrie ist in erster Linie auf die Produktion von Luxuslederwaren spezialisiert, wie zum Beispiel Schuhe, Taschen, Gürtel, Handschuhe und andere Accessoires. Diese Produkte zeichnen sich durch ihre hohe Qualität, Präzision und Exklusivität aus.

 

Die Lederherstellung erfolgt in der Schweiz durch traditionelle Handwerkskunst. Mittel und Grossbetrieb sind verschwunden. 1960 beschäftigten rund 50 Gerbereien um die 2 tausend Personen.2020 sind weniger als 10 Handwerksbetriebe mit weniger als 100 Mitarbeiter übriggeblieben.

 

Nicht so dramatisch ist die Situation bei der Lederverarbeitenden Industrie. Es gibt noch vereinzelte mittelgrosse Betriebe und sehr viele Handwerksbetriebe. Sie verwenden qualitativ hochwertiges Leder und setzen auf umweltfreundliche und nachhaltige Herstellungsverfahren.

 

Nicht zu vergessen, dass seit 1960 der Schweiz drei Grosskonzerne der Lederchemieherstellung verloren gingen.

 

Obwohl die Lederindustrie in der Schweiz eine untergeordnete Rolle spielt, ist sie im hat sie einen guten Ruf in Bezug auf Qualität und Handwerkskunst und trägt zur Schweizer Wirtschaft und ihrem internationalen Ansehen bei.

 

Neue EU-Gesetzgebung

 

Die EU hat mit der REACH Gesetzgebung neue Anforderungen an Gebrauch von Chemikalien und Gebrauchsgegenstände erlassen. Dazu gehört auch Leder und Ledererzeugnisse.

 

Zum Verständnis von REACH muss der Ablauf der Gesetzgebung innerhalb der EU miteinbezogen werden. Das EU-Chemikalienrecht stützt sich auf umwelt- und verbraucherpolitische Bestimmungen sowie auf den Arbeitsschutz. Es ist weitgehend Gemeinschaftsrecht, d.h. die EU erlässt die Gesetze, die teilweise von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden müssen oder teilweise direkt gelten. Die Schweiz hat die EU- Regelungen praktisch vollständig, jedoch national, übernommen.

 

Neue VESLIC Aufgaben

 

REACH und deren Auswirkungen wurden an den GVs regelmässig mit Vorträgen und Diskussionen behandelt. Es entstanden neue ISO-Prüfvorschriften die der VESLIC mitgestaltet hat. Dies obwohl mit der Abwanderung der Lederindustrie der VESLIC immer kleiner und die Mitglieder älter wurden und die EMPA wegfiel, war der VESLIC aktiv beteiligt bei der Ausgestaltung der internationalen Normen.

 

Die Herausforderung Ökologie der neue VESLIC Schwerpunkt

 

Die Ökologie in der Lederherstellung ist ein deshalb ein wichtiges Thema, da die Lederproduktion mit erheblichen Umweltauswirkungen verbunden sein kann. Deshalb war es nicht verwunderlich das fast an jeder zweiten VESLIC Versammlung das Hauptthema Ökologie mit Vortragen und Besichtigungen war

 

 Hier sind einige Aspekte der Ökologie in der Lederherstellung:

 

1. Rohstoffe: Leder wird aus Tierhäuten hergestellt, die als Nebenprodukte der Fleischindustrie anfallen. Die Umweltauswirkungen hängen jedoch von der Tierhaltung und -schlachtung ab. Nachhaltige Praktiken, wie artgerechte Tierhaltung und die Verwendung von weniger umweltbelastenden Gerbmethoden, können die Ökobilanz verbessern.

 

2. Gerbprozess: Der Gerbprozess ist ein kritischer Schritt in der Lederherstellung. Er hat eine lange Tradition, da die Lederherstellung eines das älteste Handwerk ist. Die mineralische Chromgerbung hat sich im letzten Jahrhundert etabliert, da ein äussert stabiles, langlebiges und komfortables Leder erzeugt werden kann. Bei nicht fachgerechter Handhabung können umweltschädliche Chromverbindungen entstehen, die die Umwelt und Gesundheit belasten. Es stellt sich die Frage inwieweit die älteren Gerbmethoden wie pflanzliche Gerbung, oder andere organische Gerbstoffe weniger schädlich für die Umwelt sind.

 

3. Chemikalien: Die Verwendung von Chemikalien in der Lederherstellung, wie Veredlung und Finishmittel, können Umweltauswirkungen haben. Umweltbewusste Hersteller setzen auf umweltfreundliche Farbstoffe und Chemikalien, die weniger schädlich für die Umwelt sind.

 

4. Wasserverbrauch: Die Lederherstellung erfordert erhebliche Mengen an Wasser, insbesondere im Gerbprozess. Die Wiederverwendung von Wasser und die Implementierung von Wassermanagement-Systemen können dazu beitragen, den Wasserverbrauch zu reduzieren.

 

5. Abfall und Entsorgung: Die Lederherstellung erzeugt Abfälle, einschließlich nicht genutzter Tierhäute und Abfallprodukte aus dem Gerbprozess. Die Entsorgung dieser Abfälle kann problematisch sein. Einige Unternehmen bemühen sich um eine bessere Nutzung von Abfallprodukten, z. B. durch die Herstellung von Nebenprodukten wie Tierfutter oder Düngemittel.

 

6. Tierwohl: Die Tierhaltung und -schlachtung sind eng mit der Lederherstellung verbunden. In Bezug auf die Ökologie ist es wichtig, sicherzustellen, dass die Tiere artgerecht gehalten werden und die Schlachtung unter ethischen Gesichtspunkten erfolgt.

 

Nachhaltige Praktiken und umweltfreundliche Technologien in der Lederindustrie können dazu beitragen negative Umweltauswirkungen zu minimieren. Dies schließt den Einsatz erneuerbarer Energiequellen, die Verbesserung der Wasser- und Abfallwirtschaft sowie die Verwendung von nachhaltigen Rohstoffen ein. Verbraucher können auch dazu beitragen, indem sie Produkte von Unternehmen unterstützen, die umweltfreundliche Praktiken in der Lederherstellung fördern und transparent über ihre Prozesse informieren.

 

Fortsetzung folgt